Wegzugssteuer: Alles, was Sie darüber wissen müssen

Egal, ob berufliche Gründe oder persönliche Vorstellungen – viele Menschen wandern aus Deutschland aus oder verlegen Ihr Unternehmen ins Ausland. Dass ein Umzug ins Ausland hohe Steuerbelastungen mit sich bringen kann, ist vielen Unternehmer:innen häufig nicht bewusst.

Die deutsche Wegzugsbesteuerung ist komplex und lässt viele Betroffene mit offenen Fragen zurück. Hinzu kommt, dass die Regelungen der bisherigen Rechtslage durch eine Reform zum 1. Januar 2022 angepasst wurden.

In diesem Artikel gehen wir näher auf die Wegzugssteuer ein und informieren Sie über die wichtigsten Änderungen im Steuerrecht.

Als Rechtsanwaltskanzlei für internationales Unternehmensrecht unterstützen wir Unternehmer:innen in den Bereichen internationales Handels- und Gesellschaftsrecht, Wirtschaftsrecht und Steuerrecht.

Das Wichtigste in Kürze

  • Wenn Sie auswandern oder Ihr Unternehmen ins Ausland verlegen möchten, müssen Sie sich mit der Wegzugsbesteuerung befassen. Dabei kann es auch auf den Ort des gewöhnlichen Aufenthalts ankommen.
  • Bei der Berechnung der Wegzugssteuer werden nicht nur Ihre bisherigen Gewinne berücksichtigt, sondern auch die zu erwartenden Umsätze der nächsten Jahre.
  • Sie können unter bestimmten Voraussetzungen eine Stundung der Wegzugssteuer beantragen. In diesem Fall zahlen Sie die fällige Summe nicht auf einmal, sondern in zinslosen jährlichen Raten.
  • Durch eine Reform gilt seit dem 1. Januar 2022 die Regelung, dass ein Umzug innerhalb der EU nicht mehr privilegiert behandelt wird. Eine dauerhafte Stundung ohne Sicherheitsleistung ist seitdem nicht mehr möglich.

Was ist eine Wegzugsbesteuerung?

Die Wegzugsbesteuerung ist eine Sondersteuer nach dem deutschen Steuerrecht. Sie zählt zur Einkommenssteuer, wird allerdings erst dann relevant, wenn eine Person ihren Wohn- oder Unternehmenssitz ins Ausland verlegen möchte.

Sie wird auf Personen erhoben, die ihren Wohnsitz oder ihr Unternehmen ins Ausland verlegen und auf diese Weise ihre Steuerpflicht in Deutschland beenden. Hierfür ist allerdings nicht einmal ein Wohnsitz notwendig – es reicht bereits, wenn sich der Ort des gewöhnlichen Aufenthalts ändert.

Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Ein Indiz dafür können Mietverträge, aber auch Vereinsmitgliedschaften und andere soziale Aktivitäten sein. Es handelt sich um eine Art Lebensmittelpunkt. Daneben steht der formelle Wohnsitz, auf den es bei dem gewöhnlichen Aufenthalt nicht ankommt.

In diesem Kontext gilt die 183-Tage-Regelung: Der Gesetzgeber geht davon aus, dass eine Person ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland hat, wenn sie sich mehr als 6 Monate (= 183 Tage) in Deutschland aufhält. Das ist dann der sog. gewöhnliche Aufenthalt. Die Person wird somit unbeschränkt steuerpflichtig.

Wenn wir nun annehmen, dass eine Vielzahl von Unternehmer:innen auf diese Weise Ihre unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland beendeten, würden dem deutschen Staat erhebliche Summen an Steuereinnahmen entgehen. Aus diesem Grund existiert die Wegzugsbesteuerung.

Seit dem 1. Januar 2022 gilt das Gesetz zur Umsetzung der europäischen Anti-Steuervermeidungsrichtlinie (ATADUmsG). Dieses Gesetz reformiert und verschärft die bisherigen Regelungen zur Wegzugsbesteuerung, weshalb es in den vergangenen Jahren zu vielen Auswanderungen und Unternehmensverlegungen kam.

Wegzugssteuer-Reform: Was hat sich geändert?

Durch das ATADUmsG wurden die Regelungen zur Wegzugbesteuerung zum 1. Januar 2022 verschärft. Die wichtigsten Änderungen fassen wir im Folgenden kurz für Sie zusammen.

Stundung wegen Absicht zur Rückkehr

Grundsätzlich müssen Sie die deutsche Wegzugssteuer sofort zahlen. Wenn Sie jedoch beabsichtigen, in einigen Jahren wieder nach Deutschland zurückzukehren, können Sie eine Stundung der Wegzugssteuer beantragen (§ 6 AStG Absatz 3).

Der Begriff Stundung bezeichnet den Aufschub einer Handlung oder Verpflichtung, zum Beispiel die zeitliche Verzögerung von fälligen Zahlungen. Die Stundung kommt auch bei der Wegzugsbesteuerung zum Einsatz, in dem sie den fälligen Gesamtsteuerbetrag in Raten aufteilt, die dann jährlich abbezahlt werden können. Insgesamt zahlen Sie durch eine beantragte Stundung 7 Jahre lang den geschuldeten Steuerbetrag zinsfrei in gleich hohen Jahresraten.

Um bei der Wegzugssteuer eine Stundung zu beantragen, müssen allerdings bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden. Erforderlich ist jedenfalls eine Sicherheitsleistung an das Finanzamt und die Absicht, zu einem späteren Zeitpunkt nach Deutschland zurückzukehren.

Gut zu wissen

Das Gesetz sieht vor, dass die Wegzugsbesteuerung rückwirkend entfallen kann, wenn Sie innerhalb von 7 Jahren wieder nach Deutschland zurückkehren. Es besteht außerdem die Möglichkeit, diese Stundungsfrist um weitere 5 Jahre zu verlängern.

Keine Privilegierung mehr für EU-Bürger:innen

Durch die Reform wurde die zinslose und unbefristete Stundung der Wegzugssteuer innerhalb der EU abgeschafft. Nach der neuen Rechtslage ist es also nicht mehr möglich, die Wegzugssteuer dauerhaft und ohne Sicherheitsleistung bei einem Umzug in einen anderen Mitgliedsstaat zu stunden. Seitdem gelten für Umzüge in EU- und Drittländer die gleichen Regeln, EU-Bürger:innen werden dahingehend also nicht privilegiert.

Uneingeschränkte Steuerpflicht

Während nach der alten Rechtslage eine unbeschränkte Steuerpflicht von 10 Jahren Voraussetzung war, ist es nun ausreichend, wenn die betroffene Person mindestens 7 Jahre innerhalb der letzten 12 Jahre einer unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland unterlag. Dies kann sich je nach Situation sowohl vorteilhaft als auch nachteilig auswirken.

Auswandern: Wer muss die Wegzugssteuer zahlen?

In § 6 Abs. 1 AStG heißt es, dass u.a. die “Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht infolge der Aufgabe des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthalts” der Veräußerung von Geschäftsanteilen (§ 17 Abs. 1 S. 1 EStG) gleichsteht.

In der Praxis werden steuerpflichtige Anteilhaber bei Wegzug ins Ausland demnach so behandelt, als hätten sie Anteile an Ihrem Unternehmen verkauft. Dabei kann der Wert des Unternehmens anhand der bisherigen Zahlen prognostiziert werden (zur Berechnung siehe unten). Diese fiktive Veräußerung führt nicht selten dazu, dass die zu zahlende Wegzugssteuer sehr hoch ausfällt.

Die Wegzugssteuer betrifft alle natürlichen Personen, die in letzten 12 Jahren vor Wegzug ins Ausland mindestens 7 Jahre in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig waren. Wer also schon immer in Deutschland gelebt hat, jetzt auswandern möchte und dabei mit mindestens mit 1 % an einer Kapitalgesellschaft beteiligt ist, fällt in den Anwendungsbereich dieser Norm.

Selbstständige werden in dieser Norm zwar nicht explizit erwähnt, müssen allerdings auch mit einer Wegzugsbesteuerung rechnen, wenn sie die Steuerpflicht in Deutschland aufgeben, § 4 Abs. 1 S. 3 EStG.

Wie wird die Wegzugssteuer berechnet?

Um die Wegzugssteuer berechnen zu können, muss zunächst die Veräußerung des Unternehmens fingiert werden. Das Finanzamt ermittelt dabei den Unternehmenswert. Es können – wie bei einer “realen” Unternehmensveräußerung – eine Vielzahl von finanziellen und nicht-finanziellen Faktoren dabei berücksichtigt werden:

  • Die bisherigen Einnahmen des Unternehmens sind ein wichtiger Faktor bei der Berechnung des Unternehmenswerts. Dazu gehören die Gewinne aus den letzten 3 Jahren vor Wegzug.
  • Zusätzlich zu den Einnahmen der Vergangenheit wird auch die Prognose der zukünftigen Einnahmen berücksichtigt. Dazu gehören z. B. die erwarteten Umsatzzahlen in den kommenden Jahren.
  • Auch die Vermögenswerte des Unternehmens werden bei der Berechnung des Werts berücksichtigt. Dazu gehören sowohl materielle als auch immaterielle Vermögenswerte wie Gebäude, Maschinen oder Patente.
  • Auch die Verbindlichkeiten des Unternehmens müssen berücksichtigt werden. Dazu gehören zum Beispiel Darlehen oder andere Schulden.

Sobald der Wert des Unternehmens ermittelt wurde, wird die Wegzugssteuer auf dieser Grundlage berechnet.

Daraus ergibt sich folgende Vorgehensweise:

  1. Ermittlung des Unternehmenswertes (insbesondere Gewinne der letzten 3 Jahre vor Wegzug) als Veräußerungspreis
  2. abzgl. Veräußerungskosten und Anschaffungskosten
  3. ergibt den steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn
  4. Festsetzung der fälligen Wegzugssteuer (Möglichkeit der Stundung wegen Rückkehrabsicht, in diesem Fall Festsetzung der jährlichen Raten und Zahlung der Sicherheitsleistung)

Fazit

Eine Auswanderung sollte gut geplant und organisiert sein. Wer seinen Wohnsitz oder sein Unternehmen ins Ausland verlagern will, muss mit steuerlichen Belastungen rechnen. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, sich möglichst früh über die Auswirkungen und Möglichkeiten zu informieren.

Gerne beraten wir Sie in einem persönlichen Gespräch zur aktuellen Rechtslage und zeigen Ihnen Möglichkeiten auf, wie Sie Ihre steuerliche Situation im Fall einer Auswanderung optimieren können.

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